Wie kann ich verhindern, dass der Körper ein Schocktrauma ausbildet?

Wir alle haben schon die eine oder andere schlechte Nachricht erhalten, einen geliebten Menschen verloren oder waren in einen Unfall verwickelt. Oft ist dieses Erlebnis ein wahres Schockerlebnis, von dem wir uns schlecht oder sogar nie ganz erholen.
Auch Tiere verfallen in Schockstarre, wenn sie in Gefahr geraten (denn nichts Anderes als Gefahr empfindet der Körper, wenn er unter Schock steht). Doch anders als Tiere, bleibt der Schock bei uns oft ein ganzes Leben lang im Körper gespeichert.
Wie Tiere es schaffen, sich schnell wieder zu erholen und was wir in dieser Hinsicht von ihnen lernen können, beschreibt Gabriele Rudolph in ihrem Text.
Sie hat ihn bei Facebook veröffentlicht und ich finde ihn sehr interessant und hilfreich:

Nicht immer können wir einen Un- oder sogar Überfall, den unerwarteten Tod eines geliebten Menschen, Übergriffe oder Katastrophen verhindern. Aber wir können dafür sorgen, dass daraus kein Schocktrauma mit all seinen lebenslangen körperlichen wie psychischen Folgen entsteht. Aber wie?
Nun, ein Trauma ist erst einmal und vor allem ein biologisches Phänomen.
Was meine ich damit?
Der menschliche Körper ist, ebenso wie der von Tieren, so konditioniert, dass er angesichts von Bedrohung und starkem Stress zuallererst mit der Ausschüttung von Adrenalin bzw. Cortisol reagiert. Dies, ebenso wie eine starke Blutzufuhr in die Muskulatur, soll sein Überleben sichern und ihn dazu befähigen, sich zur Wehr zu setzen, zu kämpfen oder zu flüchten. Man könnte auch sagen, die Muskeln bereiten sich darauf vor zu handeln.
Wenn dies geschieht, wird die Energie entladen und das Gehirn bekommt die Information, dass nun keine Stresshormone mehr gebraucht werden. Die Gefahr ist vorüber.
Bleibt diese Entwarnung aber aus, zum Beispiel weil keine Flucht und kein Angriff erfolgt bzw. wir dran gehindert werden, Handlungen zu Ende zu bringen, geht unser Nervensystem in Erstarrung oder Zusammenbruch über und die energiegeladene Spannung bleibt in den Muskeln stecken. Diese teilweise oder gänzlich ungenutzten Muskelspannungen setzen nun einen Strom von Nervenimpulsen in Gang, der die Wirbelsäule hoch zum Thalamus (der zentralen Vermittlungsstelle für Empfindungen) und von dort in andere Teile des Gehirns verläuft und signalisiert, dass die Bedrohung weiter besteht.
Kurz: Der Körper bleibt im Alarmzustand und reagiert noch lange nach dem Ereignis als bestünde noch immer Gefahr.
Denn: Eine weitere Möglichkeit, die uns biologisch als Reaktion auf Gefahr zur Verfügung steht, ist das Erstarren. Sie gehört zu den drei primitiven Reaktionen, die Reptilien und Säugetieren zur Verfügung stehen, wenn sie durch Verfolgung bedroht sind, aber keine Möglichkeit sehen, sich in Sicherheit zu bringen oder um ihr Leben zu kämpfen. Man kann hier auch von einer Art Schreckstarre sprechen. Wir erstarren wie gelähmt und/oder brechen vor Hilflosigkeit zusammen. Denn, haben wir das sichere Gefühl, dass der Tod bevorsteht, kollabieren die Muskeln.
Zu einem Trauma kommt es also, wenn wir starke Angst spüren und zugleich an körperlicher Bewegung gehindert werden bzw. uns in der Falle fühlen. Wir verfallen in tiefe Resignation, die uns daran hindert, selbstbestimmt wieder in Aktion zu gehen, sobald die Gefahr vorüber ist. „Dieses Zusammenbrechen, das Gefühl der Vernichtung und der Verlust von Lebenswillen bilden den Kern tiefer Traumen“ (Levine, Sprache ohne Worte, S. 73).
Und so stellt sich die Frage: Wie können wir das verhindern?
Die erste Entladung: Schütteln, Zittern, Atmen
Wie also können wir verhindern, dass der Körper ein Schocktrauma ausbildet?
Diese Frage lässt sich am Besten beantworten, wenn man wilde Tiere beobachtet, die einer Gefahr entronnen sind. Sie beginnen sich, sobald sie in Sicherheit sind, zu schütteln und zu zittern. Man könnte sagen, sie schütteln den Schock ab und befreien sich damit vom Stress der Verfolgung und/oder des Kampfes. Nach dem Abschütteln der eingefrorenen Energie atmen die Tiere tief durch.
Es gibt aber in der Tierwelt, neben Kampf und Flucht noch eine dritte Methode, mit der ein Tier einer Gefahr entrinnen kann: Indem es erstarrt, d. h. es gibt vor, tot zu sein und wenn das angreifende Tier dann nachlässt in der Annahme, es hätte die Beute getötet, entkommt das Tier seinem Angreifer.
Wir Menschen setzen die Erstarrung regelmäßig ein, wenn wir verletzt oder überwältigt werden. Nur dass wir oft Schwierigkeiten haben, uns wieder aus diesem Zustand zu normalisieren. Denn das, was wir dazu brauchen – unsere Gefühle – sind durch den eingefrorenen Zustand betäubt.

Kurz: Die Fähigkeit, nach einer Erstarrung wieder in einen Zustand von Gleichgewicht und Balance zu zurückzufinden, ist entscheidend dafür, ob eine Traumatisierung stattfindet oder nicht!
Die Lösung liegt darin, mit der Aufmerksamkeit zu den damit verbundenen Körperempfindungen und Gefühlen zurückzukehren, d. h. zu dem, was durch das Sich-Dissoziieren und Erstarren abgespalten wurde. Dadurch nimmst du Kontakt auf mit dem Reptiliengehirn, dem “Tier in dir” und dem daraus, ganz von selbst resultierenden spontanen Schütteln, Zittern und Atmen wilder Tiere. Wenn wilde Tiere das nicht tun, sterben sie, da sie traumatisiert nicht in der Lage sind, zu überleben.

Das Gute daran ist, dass diese instinktive Entladung bei Menschen genauso wirkt, d. h. es ist möglich, ein Trauma „abzuschütteln“ bzw. die angestaute Energiemenge durch Rennen (Flucht) oder das Schlagen eines Kissens (Kampf) abzubauen und danach ruhig und bewusst tief zu atmen. Wenn dies bewusst ist, ist es jedem Menschen möglich, sich von der unmittelbaren Wirkung überwältigender Ereignisse SOFORT zu befreien. Dadurch wird das Nervensystem spontan heruntergefahren und es können sich keine PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) noch die daraus resultierenden oft lebenslang anhaltenden psychischen wie körperlichen Beschwerden ausbilden.
Dies gilt auch wenn ein altes Trauma reaktiviert wird, d. h. wenn durch eine Situation oder einen Trigger eine Erinnerung an ein schreckliches Ursprungstrauma initiiert wird. Auch hier ist es hilfreich, über den Körper Kontakt mit dem Reptiliengehirn aufzunehmen und die dadurch ausgelöste Ausschüttung von Adrenalin und Cortisol sofort wieder durch Schütteln, fluchtartiges Rennen oder Kämpfen abzubauen.
Aber die Frage, die sich hier stellt, ist: Wenn dies doch so einfach ist, warum tun wir es nicht einfach – genau wie ein Tier? Aus: (Un)Endlich frei! - Traumata als Tor zur Freiheit von Gabriele Rudolph www.einfachnursein.de

Bild: Pixabay

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